Die Patientenverfügung
Ein Pflichtdokument für Kind, Frau und Mann.
Im Buch „Krebs – König der Spieler“ ist das Thema Patientenverfügung nur kurz beschrieben. Wie wichtig, ja geradezu Pflicht diese ist, mögen folgende Begebenheiten zeigen, die nicht im Buch enthalten sind. "Die Patientenverfügung" steht weiter unten.
Warum eine Patientenverfügung so wichtig ist.
Erlebte Schicksale 2009 / 2014.
Zwei Züge nach Rottweil hatte ich bereits verpaßt. Ich war guter Laune auf dem Weg von einer fünfwöchigen Reha nach Hause. In Rottweil wollte ich umsteigen und den Zwischenstopp dazu verwenden, die schöne Altstadt wieder mal zu besichtigen. Entgegen dem volkstümlichen Begriff von „alle guten Dinge sind 3“ fing der Zug plötzlich zu ruckeln und sonderbar stoßartig zu bremsen an. Ich stützte die Füße auf das Polster der gegenüber liegenden Sitzbank. Plötzlich ein Rums, ein Auto flog mit einer am Steuer sitzenden jungen Frau am Fenster vorbei und der Zug war entgleist. Wir alle hatten Glück, daß er nicht eine hohe Böschung hinuntergekippt war, sondern nur mit den Vorderrädern neben den Schienen stand. Stunden später hatte die Bahn ein Großraumtaxi organisiert. Inzwischen hatten wir erfahren, daß diese junge Frau nicht überlebt hatte.
Die Vorstellung, wie der Tag dieser jetzt Toten begonnen hatte, geht mir nie mehr aus dem Sinn. Sicher hatte sie beim Duschen, Frühstücken, Makeuppen und beim vielleicht zärtlichen Abschiedskuß keinen Gedanken an den Tagesverlauf verschwendet. Und mit ihm kam der Tod, unverhofft, an einem wunderschönen Tag, an einem unbeschrankten Bahnübergang, vielleicht, weil sie es nur zu eilig gehabt hatte? Danach blieb ihr Zeit für ewig.
Es muß nicht immer eine spektakuläre Situation sein, manchmal genügt es auch, nur aus dem Bett zu fallen. Darüber erzählt die nachfolgende wahre und in jedem Punkt belegbare Krankenhaus-Geschichte aus dem Jahre 2014.
Ein Sturz aus dem Bett und die Folgen.
Ein naher Verwandter, nennen wir ihn Kurt, war knapp 82 Jahre alt, als er aus dem Bett fiel, und sich den Oberschenkelhals brach. Er wurde zur Operation in ein renommiertes Stuttgarter Krankenhaus verbracht.
Es wurde ein künstliches Hüftgelenk implantiert. Da es nicht funktionierte wurde erneut operiert. Es wurde gegipst, der Gips entfernt und emsig weiter operiert. Dann hatte der Patient einen Virus eingefangen, der eine erneute Operation erforderte. Ein zweimaliger Magendurchbruch erforderte weitere Operationen. Zwischenzeitlich war er in ein künstliches Koma versetzt worden, aus dem er nicht mehr erwachte.
Während einer Dauer von 10 Wochen war er 8mal operiert worden, Gesamtdauer 21 Stunden reine OP. Seine Schwester fand im Zimmer eine ehemals eingesetzte Prothese, deren Kapsel mehrfach aufgeplatzt war. Handelte es sich um ein minderwertiges Gelenk, entstanden diese Risse beim Entfernen oder war es Ärztepfusch? Die Angehörigen verzichteten auf ein Gutachten durch die Ärztekammer, da persönliche Erfahrungen im engeren Kreis vorlagen. Gutachter wollen sich beim nächsten Ärztekongreß in die Augen schauen und auf die Schulter klopfen können.
Schwester und Bruder standen die ganze Zeit in engem Kontakt zu ihrem Bruder und zu den Ärzten. Es war allerdings mehr als frustrierend, daß trotz Terminabsprachen mehrmals kein Weißkittel anzutreffen war. Beide mußten zur Terminwahrnehmung mit Verkehrsmitteln anreisen. Nachdem Kurt lt. Ärztemeinung durch die danebengegangenen Operationen den Rest seines Lebens ein schwerer Pflegefall sein würde, stand ständig die Gewissensfrage an, ob es nicht besser sei, darauf hinzuwirken, daß die Apparaturen abgeschaltet werden. Das war nach Auskunft der Ärzte nicht so einfach möglich, da es keine Patientenverfügung gab und die vorhandene Finanzvollmacht nicht für eine Willenserklärung der Angehörigen ausreichte. Die Anrufung des Gerichts erledigte Kurt selbst durch sein Dahinscheiden.
Niemand kann im Nachhinein mutmaßen, wie lange er ansonsten behandelt worden wäre. Die Ärzte sichern sich aus nachvollziehbaren Gründen ab, ohne den menschlichen Aspekt zu respektieren. Richtigerweise hätten Sie jedoch bei einer fehlenden Patientenverfügung den angenommenen Willen des Patienten zu beachten gehabt, welcher auch durch Dritte ausgesprochen werden kann.
Während der Krankenbesuche hatten die Geschwister mehrfach um die OP-Berichte gebeten, jedoch nicht erhalten. Ein Versuch bei der Patientenannahme blieb ebenso ergebnislos. Erst einer schriftlichen Aufforderung, inzwischen der Vierten, wurde entsprochen. Das Ganze dauerte insgesamt 10 Wochen. Hätte der Wunsch nach einer Autopsie bestanden, wäre er alleine wegen dieser unmöglichen Abwicklung zunichte gemacht worden. Es handelte sich um das Robert-Bosch Krankenhaus in Stuttgart.
Nach dem Dahinscheiden.
Ist das Leben schon schwer und nicht billig, so fordert der Tod Ausgaben in ungeahnter Höhe. Da sich inzwischen die Staatsanwaltschaft eingeschaltet hatte, mußte der Leichnam zwischengelagert werden. Das kostete im Krankenhaus den halben Preis gegenüber einer Verlagerung zur Kühlung durch die Stadt Stuttgart. Ansonsten war die Stadt gegenüber privaten Bestattungsunternehmen kostengünstiger und unterstützte mit guter Beratung.
Das Sozialamt stellte sich, wie üblich, gleich mal quer. Der Verstorbene hatte seine Zuwendungen – pro Monat ein Barbetrag von 145 €, Haareschneiden, Getränke, Fernsehgebühr, Telefonkosten und kulturelle Teilnahme inklusive – nicht ausgegeben, sondern jahrelang gespart. Dadurch war er über die erlaubte Besitz-Höchstgrenze gekommen. Also forderte das Amt die bewilligte und ausgezahlte Leistung teilweise zurück. Das waren über 700 Euro. Eventuell hatte damit auch sein Bruder, der Kosten für verschiedene Leistungen bezuschußt hatte, seine Zuwendungen an das Amt verloren.
Da vom Verstorbenen, neben dem geringen finanziellen Guthaben, kein Sachvermögen vorhanden war, hätten die Erben die Erbschaft ausschlagen können, was sie jedoch aus familiären Gründen nicht taten. Das Restvermögen reichte ungefähr für die Kosten der Beerdigung und für Folgekosten.
Nach den nicht unerheblichen Kosten der Bestattung kam jetzt eine neue Überraschung. Es existiert ein Familiengrab, in dem Mutter und Vater schon länger ruhen und in dem der Sohn ebenfalls seine letzte Ruhe finden sollte. Da die Eltern eine damals übliche Erdbestattung gewählt hatten, war diese Variante die Teuerste. Vor allem mußte dieses Familiengrab erneut für 20 Jahre angemietet werden. Man stelle sich ein Häufchen Asche vor, dieses Häufchen Asche benötigt 20 Jahre Totenruhe. Dabei löst sich die Urne, je nach Modell, u.U. bereits nach kurzer Zeit auf und Asche und Sand vereinen sich. Die Grabmiete für diese 20 Jahre in Vorlage betrug ca. 3000.- €. So will es die Stadt Stuttgart. Andere Städte sind da nicht weniger zimperlich.
Der Gesetzgeber sollte nicht nur diesen Unsinn beenden, sondern auch die Sargpflicht für Alle abschaffen. Ein Leintuch, wie es Islamisten bewilligt wird, zum Eintauchen in die Wärme des Krematoriums, genügt. Wir kamen alle mit Nichts und nicht mit Smoking oder Streifenanzug zur Welt. Es hat sich wohl noch Keiner Gedanken darüber gemacht, welch sinnlose Holzverschwendung mit diesen antiquierten und nie mehr durchdachten Prozeduren verbunden ist, Emissionen nicht zu vergessen. Ein neuer Weg wären Mietsärge bis zur Feuerstätte. Da finden sich sicher irgendwann dynamische Existenzgründer oder progressive Beerdigungsinstitute, vorausgesetzt, der Gesetzgeber bewegt sich entsprechend.
Haben Sie während des Lesens darüber nachgedacht, was geschieht, sollte bei Ihnen ein Notfall eintreten? Nicht tödlich, aber so, daß Sie Ihr Leben nicht mehr selbst bestimmen können? Ist in Ihrem Rockschoß eine Patientenverfügung auffindbar, liegt eine zu Hause, um in Ihrem Sinne zu agieren?
IGeL-Ärzte, das sind die geldgeilen Weißkittel, die den Hippokrates-Eid irgendwo schlecht sichtbar an einer Nebenwand angetackert haben und auf dem Besuchertisch, gleich der Eiskarte in der Eisdiele, nutzlose Leistungen anbieten. Sie sind dem Geld mehr verbunden als dem Patienten und bieten inzwischen Patientenverfügungs-Formulare und -Beratungen zwischen 30 und 50 € an (Stand 2016). Das brauchen Sie nicht, vorausgesetzt, Sie besitzen Computer, Drucker, eine Internetverbindung, notwendigen Grips und wenig Moos. Krankenkassen, Wohlfahrtsverbände und selbst das Justizministerium bieten entsprechende Hilfe und Vordrucke an. Vom Justizministerium erhalten Sie zudem eine ausführliche Einweisung in die Problematik und Bausteine für eine individuelle Zusammenstellung einer Patientenverfügung.
Wenn Sie als Notfall in einer Klinik landen, haben Sie u.U. keine Möglichkeit mehr, Ihre Vorstellungen zu den Maßnahmen zu äußern. Es kann schlimmstenfalls ein Betreuer via Gericht bestellt werden, ein Alptraum. Dieser Betreuer, der keinerlei Fachkenntnisse besitzen muß, kann Ihnen sogar jeglichen Kontakt zu Verwandten und Bekannten unterbinden und selbst Ihr Vermögen veruntreuen.
Geben Sie bei anstehenden Maßnahmen oder Operationen die Patientenverfügung als erste Aktion dem zuständigen Arzt. Weisen Sie darauf hin, daß Sie erwarten, daß Ihre Anweisungen strikt befolgt werden. Sinnvoll ist es, sich die Übergabe der Patientenverfügung vom Arzt bestätigen zu lassen und auf jedem Formular, mit dem Sie später irgendeiner Maßnahme oder einer OP zustimmen, neben der Unterschrift zu vermerken, daß dem Krankenhaus eine Patientenverfügung vorliegt. Beachten Sie, daß eine Generalvollmacht keine Patientenverfügung ersetzt.
Weitere Vorsorge-Maßnahmen, an die man denken sollte.
In Anlehnung an: Muster Vollmacht – Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Zu finden unter der Gesamtdomain http://www.bmjv.de
Immobiliengeschäfte, Handelsgewerbe, Darlehen.
Denken Sie an die erforderliche Form der Vollmacht bei Immobiliengeschäften, für Handelsgewerbe oder die Aufnahme eines Verbraucherdarlehens.
Vermögenssorge in Bankangelegenheiten.
Hier sollten Sie auf die von Ihrer Bank/Sparkasse angebotene Konto-/Depotvollmacht zurückgreifen. Diese Vollmacht berechtigt den Bevollmächtigten zur Vornahme aller Geschäfte, die mit der Konto- und Depotführung in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Es werden ihm keine Befugnisse eingeräumt, die für den normalen Geschäftsverkehr unnötig sind, wie z. B. der Abschluß von Finanztermingeschäften. Die Konto-/Depotvollmacht sollten Sie grundsätzlich in Ihrer Bank oder Sparkasse unterzeichnen; etwaige spätere Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmachtserteilung können hierdurch ausgeräumt werden. Können Sie Ihre Bank/Sparkasse nicht aufsuchen, wird sich im Gespräch mit Ihrer
Bank/Sparkasse sicher eine Lösung finden.
Post und Fernmeldeverkehr.
Die bevollmächtigte Person darf die Post entgegennehmen und öffnen sowie über den Fernmeldeverkehr entscheiden. Sie darf alle hiermit zusammenhängenden Willenserklärungen (z. B. Vertragsabschlüsse, Kündigungen) abgeben.
Vertretung vor Gericht.
Die bevollmächtigte Person darf den Verfüger gegenüber Gerichten vertreten sowie Prozeßhandlungen aller Art vornehmen. Sie darf Untervollmacht erteilen.
Betreuungsverfügung.
Falls trotz dieser Vollmacht eine gesetzliche Vertretung (rechtliche Betreuung) erforderlich ist, sollten Sie darauf bestehen, daß die in der Verfügung bezeichnete Vertrauensperson als Betreuer bestellt wird. Die Vollmacht gilt über den Tod hinaus.
Weitere Regelungen.
Wie z.B. eine Bestattungsverfügung. Hier legen Sie genau fest, wie Sie nach Ihrem Tod gebettet werden wollen, von traditionell bis anonym, mit Stein oder Holzkreuz, ganz nach Ihren individuellen und den gesetzlich erlaubten Vorstellungen.
Allgemein.
Alle Verfügungen sind frei kombinierbar und können, wie ein Testament, überwiegend frei formuliert werden. Es erleichtert jedoch die Systematik, verwendet man vorformulierte Verfügungen, am besten mit Textbausteinen. Ohne diese wirklich fundierten Bausteine vergißt man leicht wichtige Punkte. Ich persönlich habe nach Kenntnis dieser Möglichkeit meine Patientenverfügung komplett überarbeitet.
Ziel dieses Artikels war, jedem eindringlich klarzumachen, wie lebensnotwendig passende Verfügungen sind. Im normalen Leben ist jeder handlungsfähig, in einer Notlage helfen nur rechtsgültige Verfügungen. Weitere Infos zum durchstöbern:
http://www.feuerbestattungen.de/images/Bestattungsverfuegung.pdf
http://www.bundesaerztekammer.de/patienten/patientenverfuegung/muster-formulare/
http://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Formulare/Vorsorgevollmacht.pdf?__blob=publicationFile&v=4
http://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Formulare/Anlagen/Patientenverfuegung_Textbausteine_word.html
http://www.bmjv.de/DE/Themen/VorsorgeUndPatientenrechte/VorsorgeUndPatientenrechte_node.html
http://www.bmjv.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Patientenverfuegung.html
http://www.bmjv.de/DE/Themen/Gesellschaft/Patientenverfuegung/patientenverfuegung_node.html